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Leise, shared, emissionsfrei, autonom, multimodal – wie sieht die Mobilität von morgen aus?

Leise, shared, emissionsfrei, autonom, multimodal – wie sieht die Mobilität von morgen aus?

von Miriam Buchmann

Mobilität verbindet. Mit anderen Orten, mit anderen Menschen. Auf unseren Wegen zur Arbeit, zum Einkauf, in den Urlaub oder beim Transport von Gütern legen wir kurze oder auch enorm lange Strecken zurück. Doch wie kommen wir auf all unseren unterschiedlichen Verkehrswegen – auf den Straßen, auf der Schiene, auf dem Wasser oder in der Luft – ressourcen- und umweltschonend an unsere Ziele? Weltweit wird an neuen Mobilitätskonzepten geforscht und gearbeitet: an regenerativen Energien, Alternativen zum eigenen Auto, selbstständig fahrenden Fahrzeugen jeglicher Art und umweltbewusster, nachhaltiger Stadtentwicklung. Wir geben einen kleinen Überblick über Konzepte, Trends und Technologien rund um die Mobilität der nahen Zukunft. 

Die leise Stadt – multimodal statt autozentriert

Leise soll die Mobilität werden. Emissionsfrei, elektrisch, vernetzt, autonom, shared, nahtlos, multimodal, intermodal … Ein GEO-Artikel beschrieb das kürzlich so: „Eine S-Bahn rollt nahezu geräuschlos ein, Elektrobusse schnurren davon, Radfahrer haben den großen Vorplatz und viele der umliegenden Straßen komplett für sich. Rund um den Bahnhof gibt es mehr als 9.000 Fahrradstellplätze – unterirdisch und hochmodern. Eine Digitalanzeige leitet Radler auf sanften Rampen abwärts in die hellen, weitläufigen Garagen, die mit ihrem glänzenden Boden, weißen Säulen und futuristischer Deckenbeleuchtung eher an einen Luxus-Shop als an ein düster-muffiges Parkhaus erinnern. Pendler, die mit der S-Bahn ankommen, werden zu einem „Mobilitäts-Hub“ geleitet; dort kann jeder mit einer einzigen App auswählen, womit sie oder er weiterfahren will: E-Bike, Lastenrad, Elektroroller oder Carsharing-Fahrzeug? Alle lassen sich innerhalb der App reservieren, buchen, entriegeln und bezahlen. Sieht so die Zukunft der Mobilität aus?“ (Christoph Koch/GEO: Wie bewegen wir uns in der Zukunft? Ein Ausblick auf die Mobilität von morgen) Dabei handelt es sich um ein intermodales Zukunftsszenario für die Stadt Amsterdam. 

Robocabs und Flugtaxis bringen uns elektrisch und autonom ans Ziel

Noch futuristischer sähe ein solches Szenario mit hinzukommenden Innovationen wie Robocabs aus, autonom fahrenden Taxis oder Shuttles, die seit einigen Jahren prototypisch auf Teststrecken erprobt werden und in naher Zukunft in ersten Modellen auf unseren Straßen zu sehen sein werden. Wenn ich ein Robocab digital über eine App rufe, fährt es selbstständig bei mir vor, öffnet sanft seine Schiebetüren, bittet mich hinein und bringt mich bequem und günstig zum gewünschten Ziel. Und einen Führerschein brauche ich auch nicht mehr. 

Oder wir heben kurz mal in die Luft ab, indem wir in ein emissionsfreies und ebenfalls autonom agierendes Flugtaxi umsteigen – den meisten bislang nur aus Sci-Fi-Filmen bekannt. Erste Flugtaxi-Unternehmen bereiten bereits die Serienfertigung vor. Vor allem die dafür fehlende Infrastruktur aufzubauen, scheint aber noch ein Weilchen zu dauern.

Generell wird dem autonomen Fahren ein großes Potenzial zugeschrieben. Das Fraunhofer ISI beispielsweise hat prognostiziert, dass im Jahr 2050 die Hälfte und bis 2060 sämtliche Kraftfahrzeuge autonom unterwegs sein könnten. Die weltweiten Visionen für diese Technologie sind vielfältig – von unterirdisch fahrenden autonomen Magnetschwebebahnen bis zu selbstständig auf den Weltmeeren navigierenden Containerschiffen. Alles bereits prototypisch entwickelt.

Diesel- und Benzinmotoren werden verabschiedet – emmisionsfreie Antriebe kommen

Noch wird die Mobilitätswende für viele Menschen nur schleichend sichtbar. Wir bemerken, dass immer mehr E-Autos und E-Bikes auf unseren Straßen unterwegs sind, und entdecken, dass es mittlerweile auch in den ländlichsten Ecken Deutschlands Lade- und Wasserstoffstationen gibt. In großen Städten zeichnet die Mobilitätswende sich etwas deutlicher ab.

Zunehmend verabschieden sich Städte, Regionen und Länder offiziell von Diesel- und Benzinmotoren auf den Straßen. Wie schnell der Umstieg auf energiearme Alternativen wie Elektro-Mobilität, Wasserstoff, Synthetische Kraftstoffe oder Biogas/Bio-LNG gelingt und welcher Antrieb sich für Pkw, Lkw und schwere Transporter, Bahnen, Schiffe und Flugzeuge jeweils durchsetzt, wird sich zeigen. Ein Weg zurück ist unwahrscheinlich. Denn die Ressourcen sind knapp und CO2-Emissionen, Lärmbelastung und Luftverschmutzung immer noch viel zu hoch.

Immer mehr Forschungsprojekte befassen sich mit möglichen Transformationen rund um die zukünftige Nutzung von Verkehrsmitteln. Dabei geht es nicht nur um den Umstieg auf regenerative Antriebe, sondern auch um eine smarte Mobilität mit vernetzten und autonom agierenden Verkehrsmitteln, um Shared Mobility und darum, all die wachsenden Mobilitätsoptionen im Verlauf eines Weges, den ich zurücklegen möchte, digital über Apps oder Mobilitäts-Hubs flexibel und nahtlos miteinander kombinieren zu können – ob im Personen- oder im Güterverkehr. Smart Mobility und Seamless Mobility sind hierfür die Stichworte.

Stadtplanung – Verschlankung urbaner Straßen

Klimaschutz und Nachhaltigkeit stehen auch städteplanerisch schon länger auf der Agenda.  Bis hin zu einer radikalen Abkehr von einer autozentrierten Stadt. Bestenfalls gehen Innovationen auf dem Gebiet neuer Antriebe sowie die zunehmende Automatisierung und Digitalisierung Hand in Hand mit Konzepten der Stadtentwicklung. So haben sich immer mehr Städte dazu entschlossen, Anreize zu schaffen, vom privaten Pkw aufs Radfahren, Zufußgehen oder öffentliche Verkehrsmittel wie Bus und Bahn umzusteigen. Sie bauen Radwege zu Rad-Highways aus, richten neue Fußgängerzonen und Tempolimits ein oder sperren gesamte Innenstädte für Pkws. Oder sie verkleinern insgesamt den Straßen- und Parkraum für Autos und bauen stattdessen Radwege und Bürgersteige aus, auch als Verschlankung urbaner Straßen (Road Diet) bezeichnet.

Noch weiter geht der Ansatz der Slow Mobility. Er entwirft ein Stadtbild der Zukunft, das von gemeinsam genutzten Straßen geprägt wird. Der Verzicht auf eine klare Trennung von Radfahrern, Fußgängern, sozialen Begegnungen, Parkplätzen und Kraftfahrzeugen soll ein lebendiges Straßenbild und Entschleunigung bringen, um die Lebensqualität im öffentlichen Raum zu verbessern.

Stadt der kurzen Wege – auch in Vororten und an Stadträndern

Ein ähnliches Ziel verfolgt das Smart-City-Konzept der „15-Minuten-Stadt“ oder „Stadt der kurzen Wege“, mit dem weltweit immer mehr Städte experimentieren. Ob ich in der Innenstadt wohne, am Stadtrand oder in einem Vorort: Innerhalb einer Viertelstunde soll ich in Zukunft zu Fuß oder auf ausgebauten Radwegen alles erreichen können, was ich und meine Familie zum Leben brauchen – dezentral über die Stadt verstreut. Dazu gehören Einkaufs- und Arbeitsmöglichkeiten, Sporteinrichtungen, die öffentliche Verwaltung, Ärzte, Schulen, Kindergärten und Kitas, Freizeitaktivitäten, Grünanlagen, Restaurants, Vereine und kulturelles Leben.

Private und logistische Mikromobilität – Fahrräder, E-Bikes, E-Lastenräder

Auch Mikromobilität soll künftig eine noch größere Rolle im Straßenverkehr spielen. Das bedeutet, dass Fahrräder, E-Bikes, E-Lastenräder, E-Scooter, Segways etc., die schon heute vielerorts das Straßenbild prägen, weitere Einsatzgebiete bekommen. Lastenräder beispielsweise, die bereits seit Langem vor allem privat in Nutzung sind, um Kinder aus der Kita abzuholen oder größere Einkäufe autofrei nach Hause zu bringen, werden mit Elektroantrieb auch für die Logistik attraktiv: Schon bald könnten Pakete, Getränke, Pizzas & Salate und andere Lieferungen vorwiegend mit E-Lastenrädern statt mit Lkw an unsere Haustür kommen. Dafür werden sie mit geschlossenem Frachtraum und größerem Volumen ausgestattet. Denn wer sich auf ein E-Lastenrad setzt, ist, zumindest in der Stadt, schneller, umweltfreundlicher und günstiger unterwegs. 

Shared Mobility – Teilen statt Besitzen

Teilen statt Besitzen: Shared Mobility heißt die neue Devise vieler Mobilitätskonzepte. Insbesondere bei jüngeren Menschen ist die Bedeutung des Autos als Statussymbol bereits gesunken. Neben Klassikern wie ÖPNV oder Taxi hat sich Carsharing schon seit vielen Jahren in Städten etabliert und expandiert langsam auch in ländliche Regionen. Und die traditionelle Mitfahrzentrale hat sich unter den Begriffen Ride Hailing, Ride-Sharing und Ridepooling in verschiedene Möglichkeiten ausdifferenziert, wie ich eine Fahrtstrecke mit anderen Personen teilen kann, die eine ähnliche Route fahren möchten. Immer häufiger mit alternativen Antrieben.

In den meisten Mobilitätsszenarien der nahen Zukunft spielt Shared Mobility jedoch eine viel bedeutsamere Rolle. Ziel ist es, dass für mich auf meinen Wegen von A nach B allgegenwärtig sämtliche Varianten gemeinsam genutzter Fahrzeuge zur Verfügung stehen, um sie flexibel und bedarfsabhängig einsetzen zu können. Denn je attraktiver solche Konzepte werden, desto weniger Grund gibt es, ein eigenes Auto zu besitzen.

Corporate Carsharing und Mobilitätsguthaben

Nicht nur in Städten, sondern auch im ländlichen Raum, wo Menschen bislang oft nur spärliche attraktive Alternativen für das eigene Auto haben, ist Corporate Carsharing im Kommen. Das bedeutet: Unternehmen stellen ihren Mitarbeitenden alternativ zum Dienstwagen einen Pool an Fahrzeugen zur Verfügung, die dienstlich und privat genutzt werden können. Zunehmend Elektro- oder Wasserstoff-Fahrzeuge zu integrieren, ist hierbei über eine zentrale Ladeinfrastruktur vergleichsweise einfach.

Auch mit flexiblen Mobilitätsbudgets können Unternehmen alternativ zum Firmenwagen oder JobTicket ein nachhaltiges Mobilitätsverhalten ihrer Mitarbeitenden fördern. Dabei lassen sich über mobile Apps Busse, Bahnen, Car-Sharing, Taxi oder E-Scooter flexibel miteinander kombinieren, buchen und abrechnen. Die Apps berücksichtigen in Echtzeit Verkehrsaufkommen und Fahrpläne und können so Empfehlungen abgeben, wie sich die Ziele am schnellsten erreichen lassen.

Digitalisierung und Automatisierung – die Basis für Smart + Seamless Mobility 


Alles in allem scheint die nicht mehr ferne Zukunft einen wachsenden Mix aus Mobilitätsoptionen für den Weg zur Arbeit, für Dienst- oder Urlaubsreisen, Ausflüge, Einkäufe oder für Lieferungen und Transporte mit sich zu bringen. Die Realisierung sämtlicher Konzepte, die eine nahtlose Mobilität (Seamless Mobility) zum Ziel haben, erfordert jedoch zunächst einmal weitgehende Automatisierung und eine digitale Transformation bei Automobilherstellern, Leitstellen und öffentlichen wie privatwirtschaftlichen Betreibern hin zu Cloud-Konnektivität und datenbasierten Prozessen. Erst wenn es gelingt, datenschutzrechtliche Fragen zu klären und die Konzepte intelligent zu vernetzen, können die Visionen und die einzelnen Technologien ihre volle Wirksamkeit entfalten. Aber wer weiß, welche neuen Ideen bis dahin am Horizont auftauchen?