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Grünes Fliegen – wie reisen Passagiere und Fracht künftig klimaneutral in der Luft

Grünes Fliegen – wie reisen Passagiere und Fracht künftig klimaneutral in der Luft

von Miriam Buchmann

Solar-Jets mit futuristischem Interieur teilen sich den Himmel mit CO2-neutralen Elektro-Überschallfliegern und wasserstoffbetriebenen Luftfrachtern. Und in den Städten wimmelt es von vertikal startenden und auf verschiedenen Höhenebenen autonom navigierenden elektrischen Flugtaxis, Frachtdrohnen und Hubschraubern. Das alles ohne Kondensstreifen, ohne Emissionen, ohne Fluglärm.

So oder ähnlich die Zukunftsszenarien. Vor allem emissionsfreies elektrisches Fliegen steht ganz oben auf der Agenda des Flugverkehrs von morgen und übermorgen. Dass heutige Flugreisen mit fossilem Kerosin sich schädlich auf das Klima auswirken, hängt jedoch nicht nur mit dem CO2-Ausstoß zusammen. Auch Stickoxide, ⁠Aerosole⁠ und Wasserdampf, die bei der Verbrennung von Kerosin entstehen, tragen zur Erwärmung der Erdatmosphäre bei. Und hoch oben in über 9.000 Metern, wo die Atmosphäre besonders empfindlich reagiert, wirken sie sich noch stärker aus als am Boden.

Passagier- und Frachtzahlen steigen

Doch auch, wenn bereits der heutige Flugverkehr enorme Klimaschäden verursacht, werden sich die Fracht- und Passagierzahlen in den kommenden Jahrzehnten voraussichtlich noch verdoppeln oder sogar verdreifachen. Und so forschen in der Branche weltweit viele Bereiche daran, Innovationen für umweltschonendere Antriebe und effizientere Flugzeuge zu entwickeln.

Beispielsweise arbeitet im EU-Projekt Clean Sky Joint Technology Initiative (JTI) ein europäisches Konsortium aus 86 Industrie- und Forschungspartnern aus 16 Nationen daran, Fluglärm und CO2-Ausstoß zu halbieren und die Emissionen von Stickoxiden um 80 Prozent zu reduzieren. 

Strom, Sonne, Wasserstoff, Kraftstoffe aus Biomasse oder E-Fuels

Neben der Umrüstung auf Hybridtechnologien − wie hybridelektrische Antriebe für Regionaljets oder Wasserstoff-Flugzeuge – gibt es viele verschiedene denkbare Varianten, den Flugverkehr weniger klimaschädlich zu gestalten: Elektroflugzeuge, die mit Batterie, Brennstoffzelle oder Wasserstoff-Turbinen angetrieben werden, sowie regenerative Bio-Kraftstoffe oder synthetische E-Fuels, die auch in herkömmlichen Flugzeugen getankt werden können.

Klimaoptimierte Flugrouten und Alternativen zum Flugverkehr

Neben neuen Technologien gibt es auch zusätzliche Maßnahmen, die schädlichen Auswirkungen von Flügen auf das Klima schnell und effektiv zu reduzieren. Klimaoptimierte Flugrouten beispielsweise. Da die Erdatmosphäre unterschiedlich sensibel auf Emissionen reagiert, wäre es sinnvoll, Flugzeuge dort fliegen zu lassen, wo sie am wenigsten schaden können. Und natürlich kann jeder Reisende auch selbst Alternativen zum Flugverkehr ausloten, wie auf kürzeren Strecken den Zug zu nehmen oder durch Videokonferenzen auf berufliche Reisen zu verzichten. Allerdings haben jüngste Zahlen gezeigt, dass trotz der Corona-Pandemie gut jeder zweite Passagierflug im letzten Jahr eine Kurzstrecke war. Als eine vielversprechende ökologische Alternative zu Kurzstrecken gilt der Einsatz von mehr Hochgeschwindigkeitszügen wenn dies nicht mit Streichungen anderer Bahnverbindungen verbunden sind. In der politischen Diskussion in Deutschland ist sogar, Kurzstrecken im Flugverkehr ganz abzuschaffen. 

Batterie-elektrisches Fliegen – erst einmal auf Kurzstrecken?

Für viele Menschen steht eine Elektrifizierung der Luftfahrt ganz oben auf der Wunschliste der Zukunftsvisionen in luftiger Höhe. „Elektrische Antriebe sind die derzeit einzige bekannte Alternative, die ohne Emissionen am Flugzeug auskommt“, schreibt beispielsweise das Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in einem Whitepaper. Doch bis klimaneutrales Null-Emissions-Fliegen komplett batterie-betrieben gelingt, wären noch einige Herausforderungen zu bewältigen. Zunächst einmal das Gewicht. Batterien, die die notwendige Menge an Strom speichern können, sind noch zu schwer, um in Flugzeugen zum Einsatz zu kommen. Nicht nur deshalb geht man kurz- und mittelfristig davon aus, dass Batterieflugzeuge zunächst einmal im Nahverkehr und auf Kurzstrecken fliegen werden. Das DLR geht von einer Distanz von unter 300 Kilometern aus.

Norwegen plant, bereits bis spätestens 2040, sämtliche Inlandsflüge mit hybrid-elektrischen Flugzeugen emissionsfrei zu machen. In Kanada absolvierte im vergangenen Jahr das erste voll-elektrische Passagier-Wasserflugzeug einen geglückten Testflug. Und auch in Deutschland strebt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) nach dem ersten Passagier-E-Flieger. Bis es vollelektrische Passagier- und Frachtflieger im regulären Flugbetrieb gibt, scheint es aufgrund der technischen Herausforderungen allerdings noch ein Weilchen zu dauern. 

Nahverkehr – Flugtaxis und Frachtdrohnen

Auch im Nahverkehr scheinen die Chancen auf neuartige elektrische Fluggeräte gut zu stehen. Start-ups aus aller Welt und auch große Fluggesellschaften tüfteln bereits seit Jahren daran, einen Teil des städtischen Straßenverkehrs durch elektrisch angetriebene Lufttaxis, Frachtdrohnen und Helicopter emissionsfrei in die Luft zu verlagern. Die sogenannte Urban Air Mobility. Die Beratungsgesellschaft Roland Berger schätzt, dass im Jahr 2050 bis zu 160.000 kommerzielle Passagierdrohnen in der Luft sein werden. Gerade erst im Januar 2022 hat die Bundesregierung einen Aktionsplan für Drohnen und Flugtaxis ins Leben gerufen.

Solarantrieb – wie fängt man genügend Sonnenenergie ein?

Auch solarbetriebene Elektroflugzeuge gehören in diesem Bereich zu den Favoriten, denn sie haben den großen Vorteil, sehr viel leichter zu sein als solche mit Batterie. Dass das Fliegen mit Sonnenenergie grundsätzlich funktioniert, zeigte bereits 2016 die Weltumrundung der „Solar Impulse 2“. Die beiden Piloten Bertrand Piccard und André Borschberg flogen mit ihrem allein von der Sonne getriebenen Elektroflugzeug einmal rund um die Erde – allerdings in 17 Etappen und an 23 Flugtagen.

Denn ein noch ungelöstes Problem besteht darin, genügend Sonnenenergie einzufangen. Experten zufolge ist der Solarantrieb daher noch ziemlich weit entfernt davon, massentauglich zu sein. Die Leistung heutiger Solarzellen ist noch zu gering, um größere Mengen an Fracht oder Passagieren in die Luft zu hieven und sicher zu transportieren. Dennoch gibt es vor allem zahlreiche Start-ups, die erste Prototypen, beispielsweise für das Sightseeing, entwickelt haben, wo die Passagierzahlen gering sind.

Fliegen mit grünem Wasserstoff – trotz Wasserdampf klimaneutral?

Große Hoffnungen sind auch mit dem Einsatz von grünem Wasserstoff verbunden. Diskutiert wird, ob er, technisch vergleichbar den bisherigen Flugzeugantrieben, direkt eine Turbine antreiben oder, wie beim Elektroantrieb in Autos, über eine Brennstoffzelle Strom erzeugen soll. Dass weltweit allerdings erst wenige kleine Flugzeuge mit Wasserstoff unterwegs sind, hat mit den Herausforderungen zu tun, die dabei noch zu bewältigen sind – nicht nur, was den Antrieb betrifft, sondern auch bei Konstruktion und Infrastruktur. Um nur ein paar Beispiel zu nennen:

Ob gasförmig oder verflüssigt: Wasserstoff braucht Platz. Viel mehr als Kerosin. Und der muss irgendwo im Flugzeug vorgesehen werden. Zudem ist eine neue Infrastruktur für die Betankung nötig, und sowohl die Produktion von grünem Wasserstoff in großen Mengen als auch der Transport an die Flughäfen scheinen nicht so einfach zu sein. Und schließlich gibt es noch den sogenannten Nicht-CO2-Effekt durch Wasserdampf. Denn der Wasserdampf, der bei der Verbrennung von Wasserstoff austritt, kann sich – anders als am Boden – in großer Höhe schädlich auf das Klima auswirken.

Im vergangenen Jahr hat beispielsweise Airbus drei Konzepte für wasserstoffbetriebene Flugzeugmodelle für Interkontinentalflüge vorgestellt. Eigenen Prognosen zufolge soll 2035 das erste emissionsfreie Flugzeug auf den Markt kommen.

Flugbenzin aus Biomasse oder synthetische Kraftstoffe – als Brückentechnologie?

Wie beim Pkw, Lkw und im Schiffsverkehr gibt es auch in Flugzeugen die Möglichkeit, den bisherigen Treibstoff, hier Kerosin, durch ökologisch produzierte Kraftstoffe zu ersetzen – mit Flugbenzin aus Biomasse beispielsweise, hergestellt aus Abfallprodukten. Durch die chemische Ähnlichkeit solcher synthetischen Kraftstoffe zu Kerosin müssten weder die Flugzeuge noch die Infrastruktur an Flughäfen für das Tanken umgebaut werden.

Da solche Bio-Kraftstoffe nicht nur in der CO2-Bilanz besser, sondern auch leistungsfähig und insgesamt deutlich weniger umweltschädlich als Kerosin sind, gelten sie als eine Brückentechnologie zur Klimaneutralität.

E-Fuels – für Langstreckenflüge?

Und schließlich gibt es insbesondere für Langstreckenflüge auch die Option der Power-to-Liquid-Technologie, ein Verfahren, das mit Grünstrom klimaneutrale synthetische Kraftstoffe erzeugt. Für diese E-Fuels wird zunächst mithilfe von Strom Wasserstoff produziert und daraus Kohlenwasserstoff hergestellt. Dieser Prozess erfordert jedoch derart viel Ökostrom, dass die weltweiten Kapazitäten dafür nicht auszureichen scheinen.

Transformation des Flugverkehrs erst in zwei bis drei Jahrzehnten

Bis der weltweite Flugverkehr sich nachhaltig transformiert hat, wird es wohl noch ein Weilchen dauern. Erst in zwei bis drei Jahrzehnten erwarten Experten massentaugliche hybrid- und vollelektrische Antriebe oder Brennstoffzellen für Wasserstoff auf dem Markt und damit eine Ablösung von Verbrennungsmotoren in Flugzeugen. Welche Technologien sich im Hinblick auf Klimaneutralität, Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit durchsetzen werden, ist noch nicht gewiss. Neben der Entwicklung neuartiger Flugzeuge sind bis dahin auch noch Fragen rund um Sicherheit und Zulassung zu lösen.


Bildnachweis: www.lilium.com