Grüne Transportlogistik der Zukunft – intermodal mit Bahn, Lkw und Mikromobilität, komplett nachhaltig und autonom?
von Miriam Buchmann
Schwerlast-Lkw fahren leise und emissionsfrei an elektrischen Oberleitungen oder reihen sich autonom fahrend mittels „Highway Pilot“ in Kolonne, alle mit derselben Geschwindigkeit, alle im gleichen Minimalabstand. Keine gefährlichen Überholmanöver mehr. Auch Güterzüge sirren autonom und elektrisch durch die Lande, nachdem die Waggons sich selbsttätig zum gewünschten Zug sortiert haben. Unterwegs wird an Umschlagterminals umgeladen, natürlich mit telematischer Überwachung der Lieferketten. Und wenn Container und Paletten sicher und pünktlich vor Ort angekommen sind, übernehmen klimaneutrale E-Lastenräder, Transportdrohnen und Zustellroboter den Rest der Strecke bis zum Ziel – perfektionierter Last-Mile-Transport für Lieferungen und Pakete in lokale Läden und an die Haustür.
Ob so die Zukunft der Logistik aussieht und ob sie mittelfristig in automatisierten Güterzügen, Elektro- oder Oberleitungs-Lkw, LNG- oder CNG-Antrieben liegt: Logistikbranche und Politik sind seit Jahren dabei, Fahrzeugflotten nach und nach umzurüsten und neue Weichen zu stellen. Denn der Schwerlastverkehr verursacht rund ein Drittel der CO2-Emissionen des gesamten Verkehrssektors, sorgt für viel Lärm, schlechte Luft und verstopfte Straßen. Deshalb liegt im Umstieg gerade dieser Branche auf klimaneutrale und nachhaltige Fahrzeuge, inklusive autonomes Fahren, auch gleichzeitig ein erhebliches Potenzial, ökologisch wie auch ökonomisch.
Die großen Themen beim Transport sind sowohl die Langstrecken als auch die sogenannte Last-Mile-Logistik. Insgesamt gilt es, den Güterverkehr auf den Straßen nachhaltiger zu gestalten und einen Teil der Transporte von der Straße auf die umweltfreundlichere Schiene oder aufs Wasser zu verlagern. Und so sind sowohl die weitere Optimierung alternativer Antriebstechnologien für die Fahrzeugflotten als auch neue Mobilitätskonzepte gefragt – für die einzelnen Bereiche Bahn, Lkw oder auch Schiff oder aber in der Kombination über intermodalen Verkehr. Denn EU-weit wurde definiert, dass ab 2050 die Hälfte des Güterverkehrs auf der Schiene und auf See stattfinden soll.
Kombinierter Verkehr: Container und Co. werden umgeladen
Als sehr zukunftsträchtig gelten intermodale Mobilitätskonzepte wie der Kombinierte Verkehr (KV). Dabei handelt es sich um Gütertransporte, an denen verschiedene Verkehrsmittel wie Lkw, Bahn sowie Binnen- oder Seeschifffahrt beteiligt sind. Im Umschlagterminal werden dabei nicht die Waren selbst umgeladen, sondern die jeweiligen Transportbehälter, also Schiffs- und Lkw-Container. Begleitend übermitteln Telematiksysteme in Echtzeit Informationen über Waren und Transportketten. Zu den wichtigen Faktoren bei der Gestaltung der logistischen Prozesse gehören eine effiziente Verteilung der Umschlagterminals oder Logistik-Hubs sowie eine optimale Nutzung aller unterschiedlichen Verkehrsmittel, um insbesondere Fehl- und Leerfahrten zu vermeiden.
Verlagerung von Transporten auf die Schiene
Viele Experten sehen insbesondere in der Verlagerung von Gütertransporten von der Straße auf die Schiene einen wichtigen Beitrag zur Energie- und Verkehrswende. Die Studiengesellschaft für den Kombinierten Verkehr hat berechnet, dass sich mit jeder Lkw-Ladung, die auf die Schiene verlagert wird, gegenüber dem reinen Straßentransport im Durchschnitt pro Tonne und Kilometer zwei Drittel der CO2-Emissionen einsparen ließen.
Alternative Antriebe im Straßengüterverkehr
Die Optionen alternativer Antriebe für Lkw sind vielfältig – vom Dieselersatz aus nicht fossilem Bio-CNG oder Bio-LNG bis hin zu elektrischen Antrieben über Batterie oder Brennstoffzelle. Welche Antriebsart sich für welche Transportstrecken und welche Transportarten eignet, hat von Fall zu Fall individuelle Vorteile. (Zu den verschiedenen Antriebstechnologien siehe auch unseren Artikel „Womit fährt künftig mein Pkw?“)
Bio-LNG und Bio-CNG als Ersatz für Diesel
Im Fernverkehr sind die meisten Transport-Lkw noch immer mit Diesel unterwegs. Mit den emissionsarmen Kraftstoffen Bio-LNG und Bio-CNG gibt es jedoch sehr viel umweltfreundlichere Alternativen – und sie sind bereits verfügbar. Dabei handelt es sich um komprimiertes gasförmiges (CNG) und flüssiges Erdgas (LNG). Die früher fossilen Kraftstoffe werden mittlerweile überwiegend regenerativ aus Biomasse gewonnen, haben eine hohe Energiedichte und kosten vergleichsweise wenig.
Sowohl mit Bio-LNG als auch mit Bio-CNG angetriebene Lastwagen produzieren gegenüber Diesel extrem viel weniger Feinstaub, verbrauchen weniger Kraftstoff und verursachen weniger Lärm. Während einem Umstieg von Lkw-Flotten auf dieser alternativen Kraftstoffe lange Zeit die noch schlechte Infrastruktur im Wege stand, wurde das Tankstellennetz für Bio-CNG und Bio-LNG mittlerweile deutlich erweitert.
Elektrisch – mit Batterie oder Brennstoffzelle
Elektrisch angetriebene Lkw werden als Antriebsalternative insbesondere im Verbund mit zunehmender Automatisierung bis hin zu autonom fahrenden Nutzfahrzeugen favorisiert. Allerdings unter der Prämisse, dass Strom und Wasserstoff regenerativ hergestellt werden.
Experten setzen dabei sowohl auf die Batterie als auch auf die Brennstoffzelle. Bei beiden liegt jedoch unter ein Problem darin, die enormen Mengen der benötigten erneuerbaren Energien aus Sonne und Wind für einen kompletten Umstieg auf umweltfreundliche Transporte bereitzustellen. Denn das Potenzial an Grünstrom in Deutschland scheint für den riesigen Bedarf an Strom für die Herstellung von grünem Wasserstoff oder Batterien nicht auszureichen.
Nutzfahrzeuge mit Elektroantrieb bei Auslieferung auf der letzten Meile
Bis rein durch Batterie angetriebenen E-Lkw überall auf unseren Straßen gesichtet werden, scheint es allerdings noch ein Weilchen zu dauern. Denn Gewicht, Kapazität und Ladedauer der Batterien genügen noch nicht für den Einsatz im Schwerlastverkehr. Beispielsweise untersucht aber derzeit ein Projekt „Hochleistungsladen im Lkw-Fernverkehr“ den Einsatz batterieelektrischer Antriebe und speziell das Megawattladen bei schweren Nutzfahrzeugen, um damit die Basis für einen flächendeckenden Ausbau der Technologie zu schaffen.
Bereits häufiger im Einsatz sind Nutzfahrzeuge mit Elektroantrieb bei der Auslieferung auf der letzten Meile, beispielsweise bei Liefer- und Paketdiensten. Denn gegenüber dem Fernverkehr fällt hier der Aspekt begrenzter Reichweiten der Batterien nicht so sehr ins Gewicht.
Brennstoffzellen-Lkw für den Schwerlastverkehr
Insbesondere bei schweren Transportern und Lkw soll Wasserstoff als Energiequelle spätestens ab 2030 zum Einsatz kommen. Grüner Wasserstoff im Tank setzt keine umweltschädlichen Emissionen frei, ist leistungsfähig und nachhaltig. Er speist die Brennstoffzelle, wird dort beim Fahren in Strom umgewandelt und treibt so das Fahrzeug an. Grüner Wasserstoff kann in Tankwagen oder Pipelines zu Tankstellen transportiert werden und lässt sich ähnlich tanken wie fossile Brennstoffe. Momentan besitzt Deutschland in Europa die meisten Wasserstofftankstellen.
Derzeit investiert unter anderem das BMVI in die Forschung und Entwicklung von Wasserstofftechnologien, beispielsweise im Rahmen der „Nationalen Wasserstoffstrategie“ und des „Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“ (NIP). Auch die Automobilbranche forscht und entwickelt an eigenen Brennstoffzellen-Lastkraftwagen. Die Reichweite der Fahrzeuge ist noch sehr unterschiedlich – zwischen 600 km und 1.000 km. Die Kosten für Lkw mit neuer Wasserstoff-Technologien sind jedoch noch sehr hoch.
Intralogistik – emissionsfreie Gabelstapler, Schlepper & Co.
Auch in der Intralogistik bieten elektrische Fahrzeuge, ob mit Batterie- oder Brennstoffzellen-Technik betrieben, eine gute Möglichkeit, den Lärmpegel zu senken, weniger Energie zu verbrauchen und Schadstoff- und CO2-Emissionen zu verringern. Dabei geht es vor allem um Flurförderfahrzeuge – von Gabelstaplern und -hubwagen in der Lagerhalle bis hin zu Gepäckschleppern am Flughafen.
Last-Mile-Logistik – klimaneutrale Lieferung mit Mikromobilität
In der Last-Mile-Logistik geht darum, den Transport von Waren ab Umschlagterminal oder Lager bis in die Läden oder zur Haustür so effizient und ressourcenschonend wie möglich zu gestalten. Denn bereits jetzt sorgen verstopfte Straßen für Umweltbelastungen und steigenden Kosten bei der Belieferung mit Lkw. Und Schätzungen zufolge wird die Anzahl der Zustellungen in der Last-Mile-Logistik sich bis 2030 sogar fast verdoppeln.
In der Diskussion sind vor allem unternehmensübergreifende Kooperationen, die Mikromobilität einbeziehen. Denkbar sind Kombinationen aus Straßenbahn, Logistikboxen, Lastenfahrrädern, E-Lastenrädern und E-Scootern, aber auch Transportdrohnen und Schwärme kleiner Zustellroboter für eine autonome Belieferung.
Autonome Lkw – Künstliche Intelligenz übernimmt das Fahren
Etwa seit 2014 wird das autonome Fahren im Nutzfahrzeugbereich erprobt. Dabei geht es neben ökologischen und ökonomischen Aspekten auch um Verkehrssicherheit. Von der Teilautomatisierung bis hin zum komplett autonom agierenden Fahrzeug sind fünf Stufen vorgesehen. Bereits heute sind viele Lkw mit Assistenzsystemen ausgestattet, die beim Lenken und Spurhalten sowie beim Bremsen und Tempohalten unterstützen. Und auch verschiedene Konzepte für autonom fahrende Lastwagen gibt es bereits in der Erprobung – vom „Highway Pilot“ bis zum „Platooning“ im Fernverkehr beispielsweise. Auf der höchsten Automatisierungsstufe 5 sollen Nutzfahrzeuge dann vollautonom, das heißt komplett fahrerlos agieren können. Das bedeutet, dass Künstliche Intelligenz komplett das Fahren übernimmt.
(zum Thema Autonomes Fahren siehe auch unseren Artikel „xx“)
Ab auf die Schiene – autonom fahrende E-Güterzüge
Im Güterverkehr gibt es schon jetzt keine Probleme mit schädlichen Emissionen, denn Züge fahren bereits zu über 90 Prozent elektrisch. U- und Straßenbahnen sind sogar hundertprozentig elektrisch unterwegs. Zusätzlich dazu werden derzeit verschiedene Möglichkeiten erprobt, auch Züge auf Strecken ohne Oberleitung emissionsfrei anzutreiben, zum Beispiel mit Wasserstoff- oder Batterie-Triebzügen oder mit Last-Mile-Lokomotiven.
Zum anderen sollen schon bald autonom fahrende E-Güterzüge im Einsatz sein. Gegenüber herkömmlichen Zügen oder Lkw sollen Transporte damit noch sauberer, schneller, sicherer und kostengünstiger werden. Im Rahmen des Bundesprogramms „Zukunft Schienengüterverkehr“ beispielsweise werden Digitalisierung und Automatisierung von Zügen erprobt, um Streckenkapazitäten besser zu nutzen, Transportqualität zu verbessern und Geschwindigkeiten zu optimieren. Bis 2025 sollen die Steuerung und Fernüberwachung automatisierter Züge im Schienengüterverkehr erprobt und getestet werden.
Welcher Antrieb eignet sich für welchen Einsatzzweck?
Um den jeweils optimalen Antrieb für Transporte im Nah- und Fernverkehr zu finden, sind unterschiedliche Kriterien zu berücksichtigen. Dazu gehört neben der Beladung beispielsweise auch, welche Fahrtstrecken in welchen Zeiträumen genutzt müssen. Damit mittel- und langfristig ein technologieoffener Mix aus sämtlichen Antriebstechniken, Kraftstoffen, Verkehrsmitteln und Verkehrswegen zur Verfügung steht, müssten die einzelnen Akteure der Transportlogistik vermutlich noch näher zusammenarbeiten.