E-Autos und Brandgefahr: Fakten rund um Sicherheit
von Miriam Buchmann
Veranstaltungstipp: online-Workshop am 13. Januar 2022 zum Thema „E-Autos und Brandgefahr“ hier.
Lithium-Ionen-Batterien sind schon lange Bestandteil eines jeden Haushalts. Sie stecken in Smartphones, Handys und Kameras, in Notebooks, Laptops und Tablets, in Fernbedienungen, in Spielzeug, in Werkzeugen, Haushalts- und Gartengeräten sowie in medizinischen Geräten. Und sie sind die hauptsächliche Energiequelle der Elektromobilität – ob in E-Autos oder E-Bikes, Pedelecs oder E-Scootern. In dieser Funktion sind sie in der letzten Zeit immer mal wieder in den Verdacht geraten, schneller brennbar zu sein als Benziner oder Diesel. Was ist dran an diesen Befürchtungen?
Zunächst einmal: Ob in Crashtests des ADAC, Statistiken von Versicherern oder Experimenten und realen Erfahrungen von Feuerwehren − es finden sich bislang keine Belege dafür, dass E-Autos schneller und heftiger in Brand geraten als Diesel oder Benziner. Wir widmen uns im Folgenden näher den in die Diskussion geratenen potenziellen oder vermeintlichen Gefahren.
Gesetzeslage: E-Autos müssen „eigensicher“ sein
Grundsätzlich gilt: Um eine Zulassung zu bekommen, müssen alle Fahrzeuge in Deutschland gesetzliche Vorgaben erfüllen, die eine größtmögliche Sicherheit für Autofahrende garantieren sollen – egal, ob es sich um ein Fahrzeug mit Benzin oder Diesel, mit Erd- oder Flüssiggas oder eines mit Batteriebetrieb handelt. Bei E-Autos gehört zu den speziellen Vorschriften, dass bei einem Unfall eine Crash-Sensorik automatisch den Stromfluss der Batterie unterbricht, das heißt, „eigensicher“ die Verbindung der Batterie mit dem Hochvolt-System des Fahrzeugs kappt.
Für alle modernen Fahrzeuge gibt es heutzutage außerdem modellspezifische Rettungsdatenblätter der Automobilhersteller. Feuerwehren und andere Rettungskräfte können am Unfallort anhand des Kennzeichens über eine Schnittstelle zum Kraftfahrtbundesamt das entsprechende Datenblatt sofort abrufen und erhalten so, teilweise bebildert, alle notwendigen technischen Informationen.
E-Autos brennen nicht öfter und heftiger, nur anders
Sowohl Experimente und Erfahrungen von Feuerwehren als auch Crashtests des ADAC lieferten wiederholt das Ergebnis, dass von E-Autos kein höheres Risiko eines Brandes ausgeht als von Verbrennern. Die aktuelle Empfehlung des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV) in Zusammenarbeit mit Ingenieuren und Fachleuten kommt zu dem Schluss, dass die Batterien „bei guten Fertigungsstandards und sachgerechter Handhabung“ als ausreichend sicher einzustufen sind und das bisherige Vorgehen der Feuerwehren bei der Brandbekämpfung von Lithium-Ionen- Batterien „grundsätzlich geeignet” ist. In seiner aktuellen Empfehlung schreibt der DFV: „Von zertifizierten Elektrofahrzeugen gehen weitgehend vergleichbare Gefahren aus, wie von Fahrzeugen mit anderen Antriebsarten (Kraftstoff, Gas). Auch Brandversuche haben gezeigt, dass die Brandleistung unter Fahrzeugen einer Generation und Größe unabhängig von der Antriebsart vergleichbar ist.“
Generell ist es wichtig zu unterscheiden, ob im Falle eines Brandes nur das jeweilige Fahrzeug brennt oder auch dessen Antrieb, also entweder der Kraftstoff oder die Batterie. „Das sind zwei ganz verschiedene Dinge, die nicht unbedingt gemeinsam passieren müssen“, sagt Brandoberamtsrat Dr. Rolf Erbe von der Berliner Feuerwehr. „Bei Elektrofahrzeugen beispielsweise brennt die Batterie selten mit.“ Und wie Karl-Heinz Knorr, Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV), bereits 2019 gegenüber der Deutschen Presse Agentur deutlich machte: „E-Autos brennen weder heftiger noch häufiger als Benziner oder Diesel, nur anders.“
E-Autos in Parkhäusern und Tiefgaragen: keine höhere Brandgefahr
Ein paar Kommunen in Deutschland hatten Ende 2020 aufgrund des vermeintlich höheren Brandrisikos E-Autos aus ihren Tiefgaragen verbannt. So auch die bayrische Stadt Kulmbach in zwei ihrer öffentlichen Parkhäuser. Anlass war ein in Flammen aufgegangenes Fahrzeug im September 2020, bei dem es sich allerdings um einen Verbrenner handelte. Das Verbot wurde inzwischen aufgehoben: Seit Mai 2021 dürfen in Kulmbach wieder Elektroautos und Hybridfahrzeuge in Tiefgaragen abgestellt werden.
Die vielen kontrovers geführten öffentlichen Diskussionen rund um das E-Auto und Brandgefahr in Tiefgaragen hatten zahlreiche Untersuchungen und Stellungnahmen ausgelöst. Beispielsweise hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) seine Statistiken mit entsprechendem Fokus ausgewertet und kam zu dem Ergebnis, dass von in Tiefgaragen abgestellten Elektroautos keine höhere Brandgefahr ausgehe als von konventionell angetriebenen Pkw. Laut GDV besitzen Autos mit Verbrennungsmotor wegen des brennbaren Treibstoffs im Vergleich zu E-Autos sogar eine höhere sogenannte Brandlast.
Brände von E-Autos sind löschbar
Nach Ansicht des GDV ist die Sicherheit einer Tiefgarage nicht von der Art der dort parkenden Autos abhängig, sondern von der Qualität des Brandschutzes. Um in Garagen für einen effektiven Brandschutz zu sorgen, empfiehlt der Versicherungsverband den Einsatz von Sprinkleranlagen und Entrauchungssystemen. Auch die Feuerwehr unterstreicht diesen Sicherheitsaspekt. „Wir wünschen uns gerade in Tiefgaragen Sprinkleranlagen und ein sehr effektives und leistungsstarkes Entrauchungssystem. Und das nicht wegen der Elektroautos, sondern grundsätzlich“, sagt Erbe.
Zudem geht aus der Pressemitteilung „Keine erhöhte Brandgefahr durch in Tiefgaragen abgestellte Elektrofahrzeuge“ des Deutschen Feuerwehrverbands vom Februar 2021 hervor, dass E-Autos von Feuerwehren standardisiert löschbar sind. „Entsprechende Handlungsempfehlungen für die Feuerwehren sind in diversen einschlägigen Gremien erarbeitet sowie bereits veröffentlicht worden und stehen somit den Einsatzkräften zur Verfügung“, betont Peter Bachmeier, Leitender Branddirektor und Vorsitzender des Fachausschusses Vorbeugender Brand- und Gefahrenschutz der deutschen Feuerwehren. „Bei einer baurechtskonform errichteten Garage steht das Abstellen sowie das Aufladen von Elektrofahrzeugen mit einer zertifizierten Ladeeinrichtung nicht im Widerspruch zu den geltenden Vorgaben des Bauordnungsrechts. Das Sperren einer Garage für alternativ angetriebene Pkw ist aus brandschutztechnischer Sicht deshalb nicht angezeigt.“
Die Einsatztaktik der Feuerwehren ist zunächst einmal immer gleich, unabhängig vom Antrieb. „Erst im zweiten Schritt schauen wir auf den Antieb. Wenn es sich um ein Elektrofahrzeug handelt, prüfen wir verschiedene Kriterien ab. Hat die Batterie des verunfallten oder brennenden Fahrzeugs einen Schaden davongetragen, sich erwärmt, reagiert sie oder brennt sogar?“, beschreibt Erbe. „Wir können sehen, ob es eine Reaktion oder Flammen gibt. Wir können hören, ob es eine Druckentlastung gibt, die sich durch ein Zischen bemerkbar macht. Und schließlich gibt es einen ganz klassischen Geruch dieser reagierenden Batterien − wenn man den einmal gerochen hat, vergisst man das nicht.“
Brandintensität hängt nicht von der Antriebsart, sondern von den Materialien ab
Generell ist die Bekämpfung von Fahrzeugbränden in Garagen laut Feuerwehren und GDV schwierig, vor allem aufgrund der hohen Temperaturen und der frei gesetzten Rauchgase. Das gilt allerdings für Fahrzeuge aller Antriebstypen. Experimente überregionaler Feuerwehren in Deutschland haben ergeben, dass die Intensität von Bränden grundsätzlich nicht von der Art des Antriebs, sondern vielmehr von den Materialien im Fahrzeug abhängt, wie beispielsweise mehr Kunststoff. Da in modernen Fahrzeugen im Vergleich zu früheren Jahrzehnten mehr brennbare Stoffe in den Karosserien verbaut werden, wie mehr Dämmung, breitere Reifen oder andere Polster, führe dies im Falle eines Brandes oft zu mehr Hitze und stärkeren Flammen.
Generell besteht auch nach einem Unfall mit einem Elektro- oder Hybridfahrzeug keine erhöhte elektrische Gefährdung, solange die Hochvoltanlage unbeschädigt ist. In der Regel wird diese automatisch durch den Airbag oder spezielle Unfallsensoren deaktiviert. Auch eine Selbstentzündung von Elektroautos ohne externe Einwirkung während der Fahrt, im Stand oder beim Laden aufgrund eines technischen Defektes ist laut ADAC extrem selten. „Eine Selbstentzündung eines Fahrzeugs ist tatsächlich eher bei Verbrennungsmotoren eine, wenn auch seltene, Gefahr“, sagt Erbe. „Wenn unterwegs, beispielsweise durch irgendwelche Undichtigkeiten, Kraftstoff oder Öl auf den heißen Auspuff tropft, kann es tatsächlich auch mal Feuer geben. Weil es bei Batterieantrieb keine Öle und entzündlichen Flüssigkeiten im Auto gibt, haben wir hier eine geringere Brandgefahr gegenüber herkömmlichen Antrieben. Das ist auch statistisch bewiesen.“
Thermal Runaway und Kühlung
Wenn aber die Schutzmechanismen der Antriebsbatterie, wie Airbag oder Sensorik, infolge eines schweren Unfalls verformt werden und somit nicht mehr funktionstüchtig sind, kann auch die Antriebsbatterie brennen und muss gelöscht werden. Dabei kann es im schlimmsten Fall zu einem sogenannten „Thermal Runaway“ kommen. Weil die eigentliche Energie im Innern der Batterie freigesetzt wird, wo sich der Brand wie bei einem Dominoeffekt fortsetzt, reicht es nicht aus, die sichtbaren Flammen zu ersticken. Die gesamte Batterie muss mit viel Wasser gekühlt werden. Denn bis zu 24 Stunden lang kann sich ein bereits vermeintlich gelöschter Batteriespeicher wieder entzünden. Während die Feuerwehr bei brennendem Treibstoff in der Regel Löschschaum einsetzt, um dem Brand den Sauerstoff zu entziehen, brauchen brennende Batterien enorm viel Wasser.
Mit viel Wasser kühlen
Die Kühlung und Löschung der Batterien kann dabei je nach Sachlage unterschiedlich aufwändig sein. „Wenn eine solche Batterie durch den Unfall so geschädigt ist, dass sie zerstört, also geöffnet ist, ist das Löschen einfach. Da kippt man Wasser rein und der Brand ist sofort gelöscht“, erklärt Erbe. „Eine geschlossene Batterie dagegen ist wie in einem Tresor gekapselt.“ Eine solche Batterien lässt sich daher nur mit sehr viel Wasser von außen kühlen.
Wenn der Brand in einem Gebiet ohne Hydranten ausbricht, etwa auf der Autobahn, ist oft ein zweites Tanklöschfahrzeug nötig. „Häufig wurde darüber berichtet, als liege darin eine Schwierigkeit für die Feuerwehr. Doch das ist Alltag bei der Feuerwehr, vor allem auf der Autobahn“, betont Erbe. „Bei fast allen Bränden reicht ein Löschfahrzeug nicht aus.“
Abrollbehälter oder Kippen des Autos zum Löschen?
Die spezielle Problematik der Löschung brennender verkapselter Lithium-Ionen-Batterien liegt dagegen darin, dass diese unter dem Auto angebracht sind, sodass die Einsatzkräfte schlecht an sie herankommen. Um diese Hürde zu meistern, gibt es derzeit in der Praxis verschiedene Ansätze. Entweder kippen die Einsatzkräfte das Auto einfach um etwa 45 Grad, um den Zugang zur Batterie zu erleichtern, und kühlen und löschen dann weiter. Oder sie positionieren mit Hydroschilden Wassernebel unter der Karosserie. Und schließlich gibt es Innovationen in der Testphase, wie beispielsweise ein Batteriebrand-Löschgerät, das für ein zielgerichtetes Löschen direkt unter der Batterie positioniert wird. Aktiviert wird es ferngesteuert aus sicherer Entfernung zum Fahrzeug.
Und schließlich werden E-Autos nach dem groben Löschen eines Brandes immer häufiger auch mit einem Bagger oder Kran in ein Container-Wasserbad, den sogenannten Abrollbehälter, gehievt, um sie gänzlich auszukühlen. Beim Einsatz dieses Verfahrens sieht Dr. Rolf Erbe allerdings sehr kritisch noch Verbesserungspotenzial: „Zum einen werden Autos oft prophylaktisch versenkt, was nicht notwendig ist, zum anderen, wenn man es im Ausnahmefall wirklich machen müsste, reicht ein Wasserbad bis zur Höhe der Batterie, um diese auszukühlen.“ Und schließlich sei die komplette Absicherung des E-Autos nach dem Brand nicht Sache der Feuerwehr, sondern der Bergeunternehmen. „Da gibt es mittlerweile Berge-Container, in denen das havarierte E-Auto mit Sensoren überwacht wird. Wenn es erneut anfängt zu brennen, dann kann eine automatische Löschanlage ausgelöst werden.“
Prävention: Tipps zu sachgerechter Handhabung
Doch was kann jeder Einzelne tun, um im Haushalt und im Auto eine „sachgerechte Handhabung“ von Lithium-Ionen-Batterien sicherzustellen? Generelle Tipps zum sachgerechten Umgang mit finden sich beispielsweise auf den Infoseiten zu Lithium-Batterien und Lithium-Ionen-Akkus des Umweltbundesamtes. Der GDV hat zudem kürzlich einen Leitfaden „Laden von Elektrofahrzeugen in geschlossenen Garagen der Wohnungswirtschaft“ veröffentlicht.